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Marine Litter - Planet ohne Umzugswagen


Die Erde ist ein komplexes System aus vielen miteinander in Wechselwirkung stehenden Subsystemen. Wie diese Subsysteme vernetzt sind und miteinander wechselwirken, fangen wir gerade erst an zu verstehen. Verhalten wir uns in Anbetracht dessen mit der nötigen Vorsicht und Umsicht? Nein!

Das Motto lautet vielmehr: "Immer drauflosgewurschtelt! Es ist noch immer gutgegangen!"

Das Ozonloch haben wir doch auch noch rechtzeitig bemerkt. Also werden wir alle anderen Probleme, die wir unbemerkt ausgelöst haben, doch auch noch rechtzeitig merken und beheben. Na denn! Sonst brauchen wir irgendwann den Umzugswagen.

Marine Litter


Was machen wir dann mit den geschätzt 270.000 Tonnen Plastikmüll, die in allen großen ozeanischen Wirbeln an der Oberfläche in unseren Weltmeeren herumkreisen? (2)

Circa 10 Millionen Tonnen kommen bis jetzt noch jedes Jahr dazu. Wenn man die bereits ins Meer eingebrachte Plastik-Menge mit der in den Wirbeln kreisenden Menge verrechnet, ergibt sich eine riesige Fehlmenge an Plastik. Wo ist der Rest geblieben?

Bauen sich die ozonschädlichen FCKW's mit der Zeit chemisch wieder in harmlose Substanzen ab, ist beim Plastikmüll im Meer gerade der "Abbau" das Problem und dürfte die Fehlmenge erklären.

Mikro- und Nanoplastik


Plastik wird leider NICHT chemisch - in dann unschädliche Substanzen - abgebaut, es wird lediglich "zerbröselt". Der vermeintlich Abbau ist gar keiner, sondern nur eine Zerkleinerung. Die Plastikteilchen sind erst mit dem Auge irgendwann nicht mehr erkennbar und nur noch unter dem Mikroskop zu sehen. Und auch diese Partikel werden weiter "zerbröselt", so dass man dann stärkere Elektronenmikroskope braucht um sie noch zu sehen. Und auch dann geht die Zerkleinerung weiter.

Solches Mikroplastik und Nanoplastik wird auch direkt von uns an Land freigesetzt und kommt über das Abwasser dann bis in die Meere, wenn es nicht vorher als Feinstaub von uns "weggeatmet" wurde. Man denke an Peeling-Mikroplastik in Waschlotions, an den Abrieb von Kunststoff-Fasern in der Waschmaschine oder den Abrieb von Autoreifen und Bremsbelägen.

Marine Ökosysteme und Marine Litter


Lebewesen des marinen Ökosystems halten diese Kleinst-Plastiken aber nicht für Kunstwerke, sondern für Nahrungsmittel und fressen die Plastikteile. Die Folgen für das marine Ökosystem sind nicht abschätzbar. Folgenlos wird es nicht bleiben. Betroffen ist nicht nur die Meeres-Schildkröte, die eine Platiktüte für eine Qualle hält.

Phyto- und Zooplankton

Fische, Meeresschildkröten, Wale das sind Tiere die wir kennen und von denen wir wissen das sie mit Marine Litter zum Teil tödliche Probleme haben.

Aber das sind nur 3 von geschätzten 2.2 - 10 Millionen Arten im Meer. 300.000 Arten sind immerhin schon bekannt. Zumeist sind sie so klein, dass wir sie mit dem blossen Auge nicht sehen können, wie 95% aller im Meer Photosynthese betreibenden Lebewesen.

Dieses PHYTHOPLANKTON hat immerhin die gleiche Photosynthese-Leistung wie alle Landpflanzen zusammen und dient den unzähligen tierischen ZOOPLANKTON-Arten als Nahrung.

Zooplankton ist also gut beraten Mikroplastik nicht mit Nahrung zu verwechseln. Es ist doppelt gut beraten, da Mikroplastik auch langlebige organischen Schadstoffen, wie DDT, PCB's, Dioxine usw.aufkonzentriert. Die Konzentration sind millionenfach höher, als im umgebenden Meerwasser.

Dumm ist dann, dass Mikroplastik und Phytoplankton in etwa gleich groß sind und Zooplankton keine Augen besitzt und einfach alles aufnimmt was von der Größer her passt.

Unbekannte Nahrungsketten

Die Nahrungsketten im Meer - also wer frisst wen, wann - sind komplex. Es wundert also nicht, dass, wenn man die meisten Organismen noch gar nicht kennt, man auch über die Zusammenhänge der einzelnen Nahrungsmittelketten somit nur den Hauch einer Ahnung haben kann. Am Ende der Nahrungkette stehen die Fische die auf unseren Tellern landen, also letztendlich wir.

Marine Litter, ein groß angelegtes Experiment, mit unklarem Ausgang. Als Fisch schon auf unserem Teller! ...zumindest solange es noch was zu fischen gibt.

Massnahmen gegen Marine Litter


Die Kunststoff-Industrie und die Politik beschäftigen sich erst seit ca. 2008 mit der Thematik.

Die 2010 gegründete Ellen MacArthur Foundation hat 2017 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos das Thema "Plastik im Meer" auch adressiert und immerhin Schwergewichte wie L'Oréal, Danone, Mars, Nestlé, P&G, Coca-Cola, Unilever zur Unterzeichnung einer Erklärung bewogen, sich dem Thema anzunehmen.

Boyan Slat hat 2013, damals 18 Jahre alt, THE OCEAN CLEANUP ins Leben gerufen. In 2020 soll dann die Reinigung im Pazifik beginnen. Der Prototyp "System 001" musste 2018 mit Problemen kämpfen. Müllstrudel gibt es aber noch in anderen Meeren. So hat sich der NABU für die Nord- und Ostsee FISHING FOR LITTER ausgedacht. CIRCULAR OCEAN nimmt sich der im Nordmeer umhertreibender Kunststoff-Fischfangnetze an. Weitere Initativen wie STOP oder AEPW. Viele engagieren sich also inzwischen für das Meer, mit teilweise beträchtlichen finanziellen Mitteln. Gut so!

Ein Baustein das Problem zu lösen: Herausholen was geht aus den Meeren und zwar schnellstens, bevor alles so klein "zerbröselt", dass man es nicht mehr herausfischen kann.

Was von dem bisher ins Meer eingebrachtem Plastik auf den Meeresboden abgesunken ist und wie hoch der Anteil des Plastiks ist, der sich bereits in der Nahrungskette befindet, kann aktuell keiner quantifizieren (2).

Lösungsansätze Marine Litter


Nachhaltig entscheidend sind natürlich nur Konzepte, die den weiteren Eintrag von Plastikmüll in die Meere verhindern.

Erziehung ist hier sicherlich das wesentliches Thema. Wie kommt der Mensch darauf, seinen Müll einfach in die Gegend zu werfen ? Die gegenteilige Denkweise muss man schon im Kindergartenalter nachhaltig verankern. Bei vielen Erwachsenen wird dies nicht mehr gelingen. Das EU-Vebot von Wegwerfplastik-Artikeln trägt dem Rechnung.

Jeder Verbraucher, als letztendlicher "Müll-in-die-Umwelt-Bringer", ist bei einer geordneten Müllentsorgung stark gefordert und das weltweit. Ein Beispiel wären die Kosmetik-Artikel die mit Mikroperlen aus Kunststoff für einen Peeling-Effekt versetzt sind.

Komplexe Systeme können ab einem bestimmten Schwellenwert auch irreversibel kippen. Ihre ursprünglich Funktionsweise ist dann für immer Vergangenheit, sie ist nie mehr wieder herstellbar, der Zustand nach dem Kipppunkt ist dann die neue Realität mit der man sich auseinandersetzen muss.

Auf schnelle, nachhaltige Lösungen kommt es also an, nicht auf unterzeichnete Erklärungen, Denkschriften und schicke Webseiten.

Nur sind politische Entscheidungsprozesse leider alles andere als schnell. Hoffentlich wird die Menschheit auch bei dieser Problematik noch rechtzeitig die "Kurve kriegen".

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(1) Stefan Rahmstorf / Katherine Richardson (2010) Wie bedroht sind die Ozeane ?
(2) Hannah Ritchie / Max Roser (2019) Plastic Pollution